Wie kann ich meine Berufung finden?
Vor dem Eintritt ins Postulat muss ich meine Berufung finden
Artikel 49 §1 unserer Konstitutionen spricht von der Aufnahme in unser Familienleben:
Diejenigen, die glauben, dass Gott sie dazu beruft, Mitglieder der Missionarfamilie Unserer Lieben Frau zu werden, werden zunächst ausreichend über das Charisma des Instituts, seinen Zweck, seinen Familiengeist und seine apostolische Mission informiert. Sie werden zumindest für kurze Zeit das Gemeinschaftsleben teilen, in einem oder mehreren Aufenthalten im Mutterhaus, in einer der Niederlassungen oder bei apostolischen Aktivitäten.
Welches ist meine Berufung?
Erinnern wir uns an einige Kriterien der Unterscheidung, die der heilige Ignatius gegeben hat, um seine Berufung zu erkennen, deren Beweggrund wirklich der Ruf Christi ist.
Der heilige Ignatius gab Ratschläge, obgleich er sehr wohl wusste, dass Gott sich nicht in irgendeinen Rahmen einsperren lässt, denn er ist in höchstem Grade frei! Er verfährt mit jedem nach seinem eigenen, unverbindlichen Plan. Er passt sich dem Temperament jedes seiner Kinder an und "verwirrt" sie manchmal, denn "seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken und seine Wege sind nicht unsere Wege".
Trotz dieser Schwierigkeiten sprach der heilige Ignatius von drei verschiedenen Wahlzeiten, in denen Gott seine Wünsche der Seele mitteilen konnte:
Erste Wahlzeit : tiefe und sichere Überzeugung
In dieser Situation geht es um das Erreichen einer Gewissheit, die jeden Zweifel ausschließt. Diese Gewissheit wird erreicht, indem das Erwählte unmittelbar als das von Gott Gewollte erkannt wird. Der Anstoß wird als ohne Zweifel von Gott kommend aufgefasst. Beispielhaft erwähnt Ignatius Paulus und Matthäus. Zumindest bei Letzterem ist interessant, dass Paulus zwar immer von seiner Berufung sprach, diese aber in langen Jahren auch in ihrer konkreten Bedeutung ausarbeiten musste. (GÜ 175)
Diese erste Wahlzeit scheint nicht die üblichste zu sein, aber sie existiert! Der heilige Antonius von Ägypten empfing, wie auch der heilige Paulus, eine unwerfende Erleuchtung, als er eine Kirche betrat und die Worte des Evangeliums hörte, die der Priester verkündete: "Willst du vollkommen sein, so geh hin". Als er die Kirche verließ, hatte er sich Jesus ganz hingegeben! Diese "erste Zeit" ist eine ganz außergewöhnliche Gnade der Erleuchtung.
- Die Zeichen dieser Wahlzeit: Kein Zögern im Willen, tiefe und sichere Überzeugung !
Zweite Wahlzeit: Zeit innerer Gegensätze
Aus diesen inneren Regungen der zweiten Zeit heraus erfährt der Wählende Klarheit und Einsicht. Es geht also um die emotionale Einstimmung auf die verschiedenen Möglichkeiten. Diese Emotionen werden mit Hilfe der Unterscheidung der Geister bewertet und führen zu einer tragfähigen Wahl. (GÜ 176)
Diese "zweite Wahlzeit" scheint viel üblicher zu sein. Mit "Tröstung" meint der heilige Ignatius innere Regungen, die von Gott gegeben und in der Seele empfangen werden (Freude, Fröhlichkeit, geistiges Wohlbefinden...), um Sie auf Ihrem Weg zur Heiligkeit anzuregen. Mit "Trostlosigkeit" meint er Gefühle der inneren Trockenheit, des Ekels vor geistigen Dingen, der Lauheit, die vom Feind verursacht und in der Seele gefühlt werden, mit dem Ziel, Sie zu entmutigen und daran zu hindern, auf Ihre Berufung zu hören.
So konnte die Seele in der Wahlzeit der Tröstungen die Aufrufe Jesu wahrnehmen, alles zu verlassen, um ihm nachzufolgen (diese Aufrufe konnten sich auf vielfältige Weise verwirklichen: das Evangelium lesen, einer Predigt zuhören, Gebetszeiten, den Rosenkranz beten...). Sie erlebte eine gewisse Freude bei dem Gedanken, sich Jesus hinzugeben. In der folgenden Wahlzeit der Trostlosigkeit, empfand die Seele Ekel und Angst vor der religiösen oder priesterlichen Berufung. Sie mag sogar eine große Anziehungskraft für die Ehe empfunden haben und vielleicht auch ein sehr starkes Gefühl für diesen und jenen Jungen oder diese junge Frau.
Dieser Kampf ist nicht ungewöhnlich: Der Gegner tut alles, was er kann, um uns daran zu hindern, Gottes Plan für unser Leben zu verwirklichen!
- Im Gebet, in der Besinnung und mit Hilfe erleuchteter geistlicher Begleiter kann der Heilige Geist Klarheit und Aufklärungen geben, um - durch diese Tröstungen und Trostlosigkeit - das Handeln Jesu und das des Bösen zu verstehen und eine erleuchtete innere Überzeugung über unsere Berufung zu erlangen.
Dritte Wahlzeit: Die ruhige Zeit
Die dritte Wahlzeit ist eine ruhige Zeit, in der Sie zunächst nur eine Alternative in den Blick nehmen und die Argumente für diese zusammentragen und gewichten; dabei dient als Maßstab die Ehre und das Lob Gottes. Dies ist eine Zeit, in der der Mensch nicht von Emotionen hin und her gerissen wird, sondern in der der Mensch "von seinen natürlichen Fähigkeiten in Freiheit und Ruhe" Gebrauch machen kann, indem er sich wieder das Prinzip und Fundament in Erinnerung ruft. Die dritte Zeit könnte eine Zeit der Bestätigung für die in erster oder zweiter Zeit getroffenen Entscheidungen sein, sie könnte aber genau so gut zur eigentlichen Entscheidungsfindung heran gezogen werden. Damit können dann Entscheidungen gefällt werden, selbst wenn weder eine starke Gotteserfahrung noch eine starke emotionale Reaktion besteht. (GÜ 177)
Der heilige Ignatius gibt sehr präzise Ratschläge für diejenigen, die sich in dieser dritten Wahlzeit befinden. Vor allem bittet er sie, sich in die Gegenwart Gottes zu versetzen und alle Gründe zu analysieren, warum man einen Lebensstand einem anderen vorzieht, die Vor- und Nachteile für jeden Lebensstand zu bezeichnen und das zu wählen, was dem Willen Gottes am ehesten zu entsprechen scheint.
- Es scheint nicht so, dass diese dritte Wahlzeit die Mehrheit betrifft. Einige der Getauften können jedoch in dieser dritten Zeit die Wahl ihres Lebensstandes treffen, aber sie müssen sehr objektiv mit sich selbst sein und dürfen sich nicht von ihren Gefühlen oder natürlichen Neigungen beherrschen lassen!
Unser Gründer traf seine Entscheidung in dieser dritten Wahlzeit. Er zerlegte all die guten Gründe, zu heiraten: eine Familie nach Gottes Plan zu gründen, sich durch das Sakrament der Ehe zu heiligen, all diese Gründe waren gut. Er zerlegte auch all die guten Gründe,Priester zu werden. Er fand, dass diese wichtiger waren, und entschied sich für das Priestertum im Vertrauen auf die Gnaden, die er durch das Weihesakrament erhalten würde.
Die Deutung der Zeichen, die sich auf jede dieser Wahlzeiten beziehen, ist aus vielen Gründen schwierig, und der Feind kann falsches Licht geben. Wenn jedoch jemand mit jemandem spricht, der die Standesgande hat, wird der Rat des heiligen Ignatius wertvoll sein, um demjenigen auf dem Weg zu einer Wahl zu helfen. Solange dieser keine Wahl getroffen hat, wird es notwendig sein, ihm zu raten, zu beten, nachzudenken oder gar an Exerzitien teilzunehmen, vor allem aber die Jungfrau Maria in ihrem "Ecce ad omnia" nachzuahmen, um dem Heiligen Geist zur Verfügung zu stehen.
Ein wohlwollender Kontakt mit denjenigen, die sich für unsere Missionarfamilie Unserer Lieben Frau entschieden haben
Die Tatsache, dass Getaufte ihre Wahl getroffen haben, in unsere Gemeinschaft einzutreten, ist kein ausreichendes Motiv für unseren Gründer, sie sofort in das gemeinsame Leben einzuführen. Sie werden als "Aspiranten" und nicht als "Postulanten" betrachtet. Sie werden mit Wohlwollen empfangen, um ihre Berufung zu festigen und zu unterscheiden, ob die Wahl gut getroffen ist.
Die notwendige Zeit, um zu Unterscheiden, ob die Wahl treffend ist
Jede Berufung ist, wie der heilige Ignatius dachte, eine freie Gabe Gottes, denn er ist in höchstem Grade frei. Unser Gründer war sich immer der Freiheit Gottes und seines befremdlichen Handelns bewusst, und deshalb sprach er von einer unbestimmten Zeit.
Nach welchen Kriterien wird dann die Unterscheidung getroffen? Nach den Veranlagungen der Aspiranten und den konkreten Umständen. So wie es keine von den Eltern programmierte Zeit für die Geburt von Kindern gibt, die die Familie erweitern, so gibt es auch keinen bestimmten Zeitpunkt des Eintritts in das Postulat. Einige werden im Sommer geboren, andere im Winter, wieder andere im Frühjahr oder Herbst. Der Zeitpunkt der Aufnahme von Kandidaten hat sich in den ersten sechzig Jahren unseres Lebens als Ordensgemeinschaft immer verändert. Heute laden wir die Aspiranten ein, vor Beginn des Ausbildungszyklus, im Frühherbst, einzutreten, ohne dass dies jedoch ein absolutes Muss ist.
Unser Gründer blieb immer geduldig, besonnen und betend. Er betonte nachdrücklich: "Es sollte niemals Eile geboten werden".
Waren aber andererseits die Anlagen des Anspiranten oder der Aspiratin fest und klar, bedurfte es keiner erheblichen Verzögerung, die durch unzureichende oder zu menschliche Gründe motiviert war.
Letzte Phase der Unterscheidung: Ein kurzer Aufenthalt im gemeinschaftlichen Leben
Trotz der erwünschten Anlagen der Person und der Überzeugung der Oberen wird es weiterhin notwendig sein, wachsam zu sein und zumindest einen kurzen Aufenthalt im gemeinschaftlichen Leben in einer der Niederlassungen oder das Mitwirken bei apostolischen Aktivitäten zu erfordern.
Der Grund für diese Bitte: "Die Kenntnis einer Person ist immer unzureichend und kann ohne die Erfahrung einer Lebensgemeinschaft irreführend sein".
Im Anschluss mit dem hl. Benedikt und dem hl. Ignatius war unser Gründer sehr anspruchsvoll und energisch, um keine Postulanten aufzunehmen, die nicht die Berufung für unsere Missionarfamilie haben würden.